Windows Phone 7 – Pros und Contras

(10.11.2010 09:00 CET)

Es hat sich in den vergangenen Jahren eingebürgert, dass ein mobiles Windows einfach schlecht sein muss. Die Presse hatte quasi schon eingeschossen und konnte blind einen Verriss schreiben, um die öffentliche Meinung zu treffen. Nun hat Microsoft mit Windows Phone 7 einen unerwarteten Schritt gemacht: Das Startmenü, bisher Kern der Oberfläche, und die frickeligen Menüs, in denen man nur mit Mühe die richtige Schaltfläche treffen konnte, sind Vergangenheit. Statt weiter Schrittchen in Richtung einer neuen Bedienbarkeit zu gehen wurde radikal mit Gewohntem gebrochen und ein komplett neues System gebaut.

Der Erfolg zeigt sich an vielen Stellen: Die sonst Microsoft-kritische Presse ist überraschend positiv, Entwickler steigen in Scharen auf die neue Entwicklungsplattform um, der Marketplace für Software hat zum Start der neuen Plattform mehr Programme als Apple beim iPhone hatte (und das bei einer Qualität, die es mindestens mit der Konkurrenz aufnehmen kann), viele Umsteiger ergehen sich in Lobeshymnen, kurz: Die Strategie scheint aufgegangen.

Was spricht nun für Windows Phone 7?

Kaum ein mobiles Betriebssystem hat einen so radikalen Wechsel vorgenommen wie Windows Phone 7, und in der Konsequenz ist natürlich auch der Langeweile-Faktor, der den Anwender eines etablierten Systems wie Windows Mobile, iOS oder Android automatisch befällt, hier nicht vorhanden. Das Prinzip der Live-Kacheln, die sich auf der Startseite vor den Augen des Anwenders verändern, die Hubs, die Informationen auf bisher nicht gekannte Weise zusammenfassen und den Anwender mit deutlich weniger Aufwand informiert halten, die Verbindung mit XBOX Live, die zum einen qualitativ hochwertige Spiele, zum anderen eben auch die Verbindung zur „großen“ Konsole, dem Gamertag und den Spielerrungenschaften sicherstellt. Nimmt man noch den Zune-Store für Medien und den Marketplace für Software hinzu, dann ist Windows Phone 7 rund und erlaubt den autarken Betrieb des Gerätes, ohne dass der PC unbedingt benötigt wird.

 

Pleiten, Pech und Pannen?

Neben der überwiegend positiven Resonanz sind hier und da auch komplette Verrisse von Windows Phone 7 zu lesen. Grund genug zusammenzufassen, was man vor dem Kauf eines Windows Phone 7-Gerätes wissen sollte.

1.) Windows Phone 7 ist nicht Windows Mobile 7: Software

Auch wenn Windows Phone 7 die Windows Mobile 6.5 nachfolgende Version eines mobilen Windows ist, es ist nicht abwärtskompatibel. Neben der komplett anderen Oberfläche schlägt auch ein anderes Herz: Die Software basiert auf Silverlight und XNA, was für Entwickler ein Vorteil ist, denn die Softwareentwicklung ist deutlich einfacher geworden. Der Nachteil: Programme, die auf Windows Mobile 6.x-Geräten liefen, lassen sich nicht auf einem Windows Phone 7 benutzen.

Sind beispielsweise bestimmte Programme für den Einsatz im Unternehmen eine Voraussetzung, dann sollte vor dem Umstieg der Kontakt zum Entwickler gesucht werden, ob eine Windows Phone 7-Version in Planung ist oder nicht.

Hinzu kommt, dass die Installation von Programmen nicht mehr per PC Installer oder CAB-Datei vollkommen in der Hand des Benutzers oder Administrators liegt, sondern über den Marketplace durchgeführt werden muss. Microsoft hat angekündigt, dass eigene, geschützte Bereiche geschaffen werden sollen, in denen unternehmensspezifische Programme jenseits der breitem Öffentlichkeit angeboten werden kann... in der ersten Version von Windows Phone 7 ist dies aber nicht der Fall.

 

2.) Windows Phone 7 für die Cloud, nicht für Outlook

Einer der am kontroversesten diskutierten Unterschiede zwischen Windows Mobile und Windows Phone 7 ist die Art der Kommunikation mit dem PC: Es gibt kein ActiveSync oder Windows Mobile Gerätecenter mehr und damit kein Programm, das ein lokales Outlook mit dem Gerät synchronisiert. Windows Phone 7 ist auf die Datenhaltung in der Cloud (also auf verteilten Servern im Internet) ausgelegt. Wer einen Exchange-Server nutzt, der kann wie gewohnt damit synchronisieren. Wer ein lokales Outlook mit seinen Daten hat, der muss sehen, dass er sie auf einen der Dienste im Internet transferiert: Via Outlook Hotmail Connector auf Windows Live, über den CompanionLink für Google oder am besten gleich auf einen Hosted Exchange.

Nachvollziehbar, dass dies schwer zu verstehen ist, zumal Outlook jahrelang das favorisierte Tool für die Datenhaltung der Termine, Kontakte und E-Mails war, aber am Ende einfach eine Tatsache. Wer nun auf eine Lösung eines Drittherstellers hofft: zumindest normale Entwickler haben keine Möglichkeit, auf die Systemdatenbanken zuzugreifen, eine Lösung kann also nur von einem Hersteller oder von Microsoft selber kommen.

 

3.) Festspeicher statt Wechselmedien

In der Vergangenheit hat das Speichern von Programmen und Daten auf SD-Karten immer mal wieder zu Problemen geführt. Microsoft hat aus diesem Grunde entschieden, in der Vorgabe für Windows Phone 7-Geräte auf die Verwendung von Wechseldatenträgern zu verzichten. Zumindest offiziell: die meisten Geräte haben entweder fest verlötete oder nicht zugängliche micro-SD-Slots. Diese sind aber für den Anwender nicht zugänglich. Momentan  gibt es Geräte mit 8GB oder 16GB Speicher, manche kommen je nach Anbieter in verschiedenen Versionen auf den Markt (wie der HTC HD 7, der bei O2 16GB Speicher hat, im freien Verkauf über HTC nur mit 8GB angegeben wird). In der Summe ist eine Aufrüstung des Speichers der Geräte nicht möglich.

 

4.) Programme: Es kann nur eines geben

Einer der größten Batteriefresser war die Möglichkeit, bei Windows Mobile mehrere Programme echt parallel laufen zu lassen, das so genannte Multitasking. Auf Grund der Tatsache, dass wenige Programme wirklich im Hintergrund aktiv etwas tun müssen, wurde bei Windows Phone 7 auf Multitasking verzichtet. Entwickler haben die Möglichkeit, trotzdem aktuelle Informationen von ihren Programmen, die nicht aktuell laufen, zu kommunizieren: Sowohl die Live-Kacheln auf der Startseite können aktualisiert werden, als auch Benachrichtigungen wie die beim Eintreffen einer SMS ausgegeben werden. Was auf dem Papier schön klingt, ist für die Entwickler tatsächlich ein Problem: Diese Benachrichtigungen funktionieren nur über einen Push Notification Service, der eine aktive Serverkomponente beim Entwickler erfordert. Und dies „leisten“ sich die allerwenigsten Entwickler, vor allem die kleinen Entwickler werden dafür schlicht und einfach weder Geld noch Ressourcen haben.

 

5.) Hör mal, wer da klingelt: Keine eigenen Klingeltöne

Oberfläche und Klang sollten nach dem Willen der Designer ein stimmiges Gesamtbild ergeben: Die Design-Specs für das Metro-Interface, das die Grundlage für die Oberfläche von Windows Phone 7 bildet, beherrscht Windows Phone 7 und gibt dem System und den Fremdprogrammen sein unverwechselbares Aussehen. Ob das nun der Grund war, fest steht eines: Unter Windows Phone 7 können aktuell keine eigenen Klingeltöne wie MP3s oder WAVs verwendet werden. Ein festgelegter Satz von sphärischen Tönen, die fest im System sind, kann vom Hersteller bzw. Netzbetreiber ergänzt werden. Man mag nun vermuten, dass Zune-Store oder Netzbetreiber bald eigene Klingelton-Käufe ermöglichen, aktuell aber gibt es dies nicht.

 

6.) Windows Phone 7: Viel Funktion, aber nicht alles

Ganz klar: Windows Phone 7  ist ein großer Wurf und mit einem immensen Aufwand seitens Microsoft entwickelt worden, aber im Zuge der Priorisierung von Funktionen für den Releasetermin Ende 2010 sind klare Entscheidungen getroffen worden, welche Funktionen in diese erste Version aufgenommen werden und welche zurückgestellt werden müssen.

Zu letzterer Kategorie gehören Aufgaben und die Zwischenablage. Wer daran gewöhnt ist, Aufgaben zur Verwaltung von Tätigkeiten und Terminen zu verwenden, der wird diese in Windows Phone 7 schmerzlich vermissen. Auch wenn Untersuchungen ergeben haben, dass die Zahl der Anwender, die diese Funktion nutzen, nur gering ist, wer zu dieser Gruppe gehört, dem nützt dies nichts.

Deutlich weiter verbreitet ist die Nutzung der Zwischenablage, in der Daten zwischen Programmen ausgetauscht werden können. Auch diese ist schlicht in der ersten Version von Windows Phone 7 nicht vorhanden. Hier allerdings ist ganz offiziell Abhilfe in Sicht: Im ersten Quartal 2011 ist ein Update angekündigt, dass Copy and Paste und damit die Zwischenablage hinzufügen wird.

Neben diesen beiden größeren und heiß diskutierten Punkten gibt es noch viele Kleinigkeiten, die Anwendern individuell fehlen. So z.B.:

 

7.) A Bug´s Life: Auch Windows Phone 7 ist nicht fehlerlos

Neben den funktionalen Einschränkungen, die „gewollt“ sind, gibt es natürlich den einen oder anderen Bug, z.B.

 

Fazit:

Für mich ganz klar: Windows Phone 7 ist ein großer Wurf. Es ist nicht perfekt, es lässt wichtige Dinge wie Copy and Paste, Aufgaben, etc. vermissen, und es hat auch den einen oder anderen Bug. Aber bitte bleiben wir fair: Sei es iOS, Android, WebOS, sie alle waren in den ersten Versionen weitaus instabiler und rudimentärer in der Funktionalität. Microsoft muss keine Basisarbeit mehr leisten, um das System überhaupt erst einmal markttauglich zu machen, sondern man muss "nur" in Ruhe Funktionen nachbauen und erweitern. Das ist eine ganz andere Ausgangslage, als die Konkurrenz in den ersten Versionen hatte. Und darum: Wer bestimmte Dinge unbedingt benötigt, die noch nicht vorhanden sind, der sollte Abwarten. Für den Normalbenutzer aber ist Windows Phone 7 bereits jetzt ein marktfertiges System.

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